Werft das Geld raus

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Re: Werft das Geld raus

15 Aug. 2006 22:23
#57923
Hi Peter,

ja hast schon recht, man muss die Dinge differenzierter ansehen und vor allem gibt es kein Patentrezept, dass man jedem aufdrücken sollte in der Art "alle müssen mehr für später sparen" oder "alle müssen heute mehr ausgeben, damit die Wirtschaft wieder läuft". Das ist anmaßend, genau in diesem Stil argumentiert aber Herr Lotter. Discount darf man grundsätzlich nicht machen, das Essen ist in Zürich besser als in Berlin, man muss verschwenderisch sein usw. Was soll das? Das ist anmaßend und widerspricht übrigens dem Kern der Marktwirtschaft. Das ist aus gutem Grund ein dezentrales System. Es ist kein König, der die Weisheit gepachtet hat, vorgesehen und jeder kann/darf/sollte eigenverantwortlich entscheiden. Das heißt wenn ich nach reiflicher Überlegung keine Rücklagen für später bilde, dann ist das mein gutes Recht und vielleicht habe ich ja gute Gründe dafür. Umgekehrt gilt entsprechendes. Der Erfolg der Marktwirtschaft drückt sich im enormen technischen Fortschritt und in enormer Produktivität aus und bestätigt meiner Meinung nach u.a. die oben genannten Grundannahmen.

Wenn ich an Unternehmen wie Allianz, DB, Mannesmann, Siemens usw. denke dann krieg ich auch einen dicken Hals. Als Unternehmer sehe ich diese Herren allerdings nicht, wenngleich ich einräumen muss, dass ich die Hintergründe der Entscheidungen ja nicht wirklich kenne. Die Gründe für solche Entscheidungen (Arbeitsplatzabbau trotz Gewinnexplosion) werden auch nicht gut von den Medien vermittelt. Aber es bleibt auf jeden Fall ein komischer Beigeschmack. Wenn ich von Unternehmern spreche, dann meine ich nicht die Selbstdarsteller, die sich immer wieder in den Medien breit machen wie Ackermann, Esser, von Pierer... Diese Herren sind meistens noch nie wirklich unternehmerisch tätig gewesen. Unternehmer sind für mich Leute, die bewußt ein persönliches Risiko eingehen und eine Geschäftsidee verfolgen. Davon gibt es tausende, die in den Zeitungen allerdings nur selten erwähnt werden. Die Zeitungen und Sachbücher vermitteln leider ein schiefes Bild der Wirtschaft. Weiß auch nicht recht was man da tun kann...

Sehe ich auch so wie du, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen der Einkommensschere bzw. Vermögensverteilung und dem sozialen Klima. (Aber dass das sogar dem Terrorismus vorschub leisten könnte, das darf man natürlich noch nicht einmal denken.) Ich meine trotzdem, dass diese Variablen klar miteinander verflochten sind. Habe mit einigen Managern und Unternehmern gesprochen. Aber manche Leute sehen das überhaupt nicht so. Siehe Herr Esser, der meint, dass er mal eben die Firmenkasse plündern dürfte, nachdem er seine Angestellten mitsamt Firma verkauft hat. Der Horizont eines Herrn Esser endet eben beim eigenen Kontoauszug. Das könnte einen manchmal schon rasend machen. In dem Zusammenhang vielleicht nochmal ein Hinweis auf das oben genannte Buch von Götz Werner. Das ist der Chef der Drogeriemarktkette DM, der seine Firma als echter Unternehmer groß gezogen hat. Man braucht nur ein Interview von dem Mann zu lesen um zu merken, dass es zum Glück auch weitsichtige, umsichtige und authentische Unternehmer in D gibt.

Im übrigen gilt: die heutige Leistung der Wirtschaft kann man gar nicht überschätzen. Die Produktivität ist enorm, grundsätzlich mache ich mir deshalb keine Sorgen, wieder in einer Art Weimarer Zeit zu landen. Das Hauptproblem ist nicht mehr der Warenmangel, sondern die Verteilung der Arbeit und der Erträge.

:winken:
Martin

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Re: Werft das Geld raus

15 Aug. 2006 18:00
#57913
Hallo Martin,
Du sagst das Du dich mit Wirtschaftsbücher beschäftigst,gut.
Weiter schreibst Du, ein erfolgreicher Unternehmer verschwendet nicht ,verfolgt sein Ziel hartnäckig und überlegt genau wann und wo er investiert.
Soweit sogut.
Für mich ist ein guter Unternehmer ,der ein soziales Gewissen seinen Mitarbeitern gegenüber hat und sich sagt : Ich verdiehne nur Geld wenn meine Beschäftigten Geld verdiehnen um es anschliessend wieder auszugeben .
Nur das hält die Wirtschaft am laufen! Wenn ich aber sehe ,um mal ein paar beispiele zu geben ,Deutsche Bank, Allianz,Siemens ,Mannesmann ,Telekom usw,usw. die trotz Riesengewinne Mitarbeiter nach Hartz 4 schicken ,wobei der größte Teil in einem alter ist wo es kein Job mehr gibt,dann fehlen mir doch irgendwo die Worte .Da werden diese Unternehmer noch mit Auszeichnungen überhäuft was für gute Geldvermehrer sie doch sind,nur die kehrseite der Medaile ist die ,das der Staat dann für die freigesetzten Mitarbeiter aufkommen muss.Und der Staat sind wir,denn von unseren Steuern wird der ganze Mist den die erfolgreichen Unternehmer fabrizieren bezahlt.Es ist zur Zeit ein äusserst ungesundes Wirtschaftsverhältnis im Umlauf, wo die folge sein wird, das keiner mehr Geld zum konsumieren hat .Und die folge davon ist,das wir irgenwann die gleichen verhältnisse wie vor und während der Weimarer Republick haben.Ist das erfolgreiches Unternehmertun? Läuft es daruf hin?
Wo währe unser Land heute ,wenn es nach dem Krieg nicht Unternehmer gegeben hätte die in die Hände gespuckt und Arbeitsplätze geschaffen haben und alles wieder aufgebaut haben so das wir ein fast sorgenfreies Leben haben,sofern wir in Lohn und Brot stehen.Nur wenn alle etwas vom Wirtschaftskreislauf haben ,Unternehmer ,Mitarbeiter, andere Unternehmen die für das Unternehmen Erzeugnisse herstellen ,der Bäcker an der Ecke ,ich könnte die reihe endlos vorführen,würde aber den Rahmen sprengen,dann kann Wirtschaft funktionieren. Geld in Umlauf bringen ,das ist es was erfolg schaft. Alles andere ist kalter Kaffe und nützt nur einzelnen und nicht der Mehrheit.Warum haben wir Weltweit soviele Unzufriedene Menschen und den dadurch resultierenden Terror?
Doch nur weil der grosse Teil keinen Job hat, sich langweilt und dadurch der Neid und Hass auf die,die mehr haben erhöht.Frei nach dem Motto wenn ich nichts habe dann brauch der andere auch nichts.Ergo Terrorisiere ich ihn. Da sollte man auch mal darüber nachdenken.
In diesem Sinne
Peter

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Re: Werft das Geld raus

15 Aug. 2006 17:27
#57912
also meine theorie ist ,wenn alle viel verbrauchen wird auch der preis sinken.bestes beispiel sind die handy grundgebühren.vor jahren als noch wenige ein handy hatten war die grundgebür sehr hoch.heute wo jeder ein handy besitzt ist die grundgebühr fast gegen null gesunken(hohe nachfrage=geringer preis).also wenn alle autofahrer große spritschlucker fahren würden ,müßte auch der sprittpreis sinken.deshalb fahre ich auch eine 8er!! :Drv1: :Drv1:
Da lachter der 8er!!!

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Re: Werft das Geld raus

15 Aug. 2006 16:33
#57911
Hallo Volkmen,

ich tendiere auch zu der Ansicht von Laserfreund.
Hab mich in den letzten Jahren intensiv mir den Wirtschaftbüchern befaßt, schreibe nämlich selber welche... :harhar:

Speziell dieses Buch von Hanser hab ich auch zum größten Teil gelesen und mich ehrlich gesagt ziemlich geärgert darüber. Alles mögliche wird ziemlich willkürlich herangezogen, um diese These "Verschwendung ist gut" zu belegen. Aber die Argumente sind auch ziemlich unausgegoren und meiner Meinung nach haltlos. Langfristig erfolgreiche Unternehmer verschwenden nicht, sie verfolgen ihre Ziele hartnäckig und überlegen sehr genau wann und wo sie investieren. Was passiert, wenn man einfach den Geldkübel über der Wirtschaft auskippt haben wir doch z.B. 1999/2000 erlebt. Sehr wenig passiert, die ganzen New Economy Firmen haben das Geld verbrannt und sind dann konkurs gegangen.
Nur als Beispiel zu dem Buch noch: Lotter handelt auf ein paar Seiten den Taylorismus ab. Taylor war ein Pionier seiner Zeit und hat auch einige wichtige Erfindungen gemacht. Aus heutiger Sicht kann man sagen dass der Taylorismus ein Irrweg war. O.k. Aber Lotter kanzelt Taylor einfach als "Erbsenzähler" ab. So etwas ärgert mich maßlos. Wie gesagt, ich denke Taylor war ein Pionier und es war wichtig, dass jemand diesen Weg gegangen ist. Die Studien von Tayler und seine Vorgehensweise sind sehr lehrreich. Aber viele Wirtschaftsjournalisten meinen, sie könnten alles beurteilen, dabei haben sie nur wenig wirklich tief durchdrungen.

Allgemein werden viele Wirtschaftsbücher von Journalisten verfaßt. Die haben einfach einen guten Zugang zu Verlagen und können natürlich schreiben. Das heißt aber oft leider nicht, dass sie auch wirklich viel zu sagen haben. Der Sachbuchmarkt funktioniert einfach so...

Bei der Gelegenheit darf ich hier vielleicht vier Buchempfehlungen loswerden zum Thema Wirtschaft und Finanzen:

Nassim Nicholas Taleb: Narren des Zufalls - Die verborgene Rolle des Glücks an den Finanzmärkten und im Rest des Lebens. Wiley.

Michael Lewis: Wall Street Poker - Die authentische Story eines Salomon-Brokers. Ueberreuter.

Götz W. Werner: Ein Grund für die Zukunft: das Grundeinkommen.

Andreas Lindenberg: Albtraum Neuer Markt. FinanzBuch.

:winken:
Martin

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Re: Werft das Geld raus

15 Aug. 2006 16:22
#57910
Recht interessant,nur einige Passagen sind gut andere wiederum blödsinn.
Ich bin Jahrgang 1953 und bin von meinen Eltern nachdem Motto "spare in der Zeit ,so hast du in der Not"erzogen worden.
Nur leider hat sich das für meine Mutter nicht gelohnt,weil sie viel zu früh gestorben ist.Mein alter Herr hat sich nach dem Krieg bis zu seinem Ruhestand krummgelegt um seine Familie am Kacken zu halten und ,um noch ein bischen Geld fürs alter beiseit zulegen.Soweit so gut.Tatsache ist ,das er sehr krank ist und nur noch durch Cortison und Sauerstoff aus der Flasche lebt und den Tag herbeisehnt endlich abzutreten.
Die Krankheit hat er sich durch seinen Job geholt und als folge davon ,kann er heute alle kosten selbst tragen da die Krankenkasse obwohl er immer gut eingezahlt hat nicht mehr zahlt als absolut notwendig.Fazit: Malocht ,für nix.
Das nächste :Es ist richtig,das wir mit der hälfte von unserem Verdienst den Staat finanzieren. Warum eigentlich?
Nächster Punkt: Recycling,hier werden wir richtig verarscht,denn es heist ja, mit jedem erwerb einer Ware bezahlen wir den grünen Punkt um alles
der Wiederverwertung zuzuführen! FALSCH: Ein beispiel ,Glasrecycling
Solange wir Glas entsorgt haben, wurde dieses der Glasproducktion wieder zugeführt,so hieß es .
Wer das glaubt ,der glaubt auch das ein Kundendiestleiter einen Kundendienst leitet.Das Glas wurde gemahlen und zum Teil dem Strassenbau als Mischgut zugeführt und der rest verschwand irgendwo hin, nur nicht bei der Glasproducktion.LKW weise ins Ausland für viel Geld.
Hier wird für eine Ware 2X kassiert! Bis vor einiger Zeit sogar 3X!Subventionen fürs wiederverwerten.
Heute haben sich diese Glasrecycler auf sortieren von Plastikflaschen (Müll) um gestellt, mit dem Ziel dieses Zeugs für neue Flaschen zu verwenden: Wieder falsch! wenn genug von dem Zeug zu Ballen gepresst worden sind,dann kommen des Nachts viele LKW,s mit Kennzeichen Östlicher Staaten, die die Ballen mitnehmen und an ihren Bestimmungsorten dann den sogenannten Energiestationen zuführen.
Mit anderen worten das Zeugs landet im Ofen!
Oder nächstes Beispiel:Wenn wir von irgendetwas zuviel verbrauchen,dann heist es : Wir müssen die Preise erhöhen ,weil der verbrauch zu hoch ist und die Nachbeschaffung teuer wird.
Gehen wir aber hin und sparen, dann heist es auf einmal: Wir müssen die Preise er höhen,weil die Bevorratung,sprich Lagerung der nicht verbrauchten Kapatzitäten zu teuer sind! Also ,was denn jetzt?
Wie macht man es richtig?Legen wir unser Geld in Lebensversicherungen an fürs alter ,und kommen garnicht in den Genuss davon weil wir vorher abkratzen?Dann ist der eigentliche Gewinner die Versicherung,oder geben wir es vorher aus?Dann bin ich fürs ausgeben.
Irgendein schlauer Kopf hat mal gesagt:Lebe jetzt,später kommt von alleine.Ich glaube er hat recht damit.
Daher finde ich den Artikel gar nicht sooo verkehrt.Durch sparen im übermaß erreicht man genau das gegenteil von dem was man erreichen will,und die Gewinner sind immer die ,die jetzt schon mehr haben als sie jemals in ihrem Leben ausgeben können.(Siehe J.Ackermann)
Aber das ist meine Meinung.
gruss Peter :winken:

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Re: Werft das Geld raus

15 Aug. 2006 15:01
#57908
Hallo

Diese Meinung und diverse damit zusammenhängende abweichende Thematiken hört man nach meiner Erfahrung von Leuten, die es "nicht geschafft haben" und nur neidisch auf das von anderen Ersparte sind. Möglich, daß manche Ansätze dieser Überlegung zu einem Ziel führen könnten, doch gewiß ist es auf keinen Fall die Lösung für wirtschaftliche Probleme und im privaten Bereich kommt das vorgeschlagene Verhalten einer Kapitulation gleich.

Denn nur derjenige, der es sowiso aufgegeben hat es mal zu irgendwas bringen zu wollen, wird Willens sein, sein Geld "wegzuwerfen".

Hierbei spreche ich nicht von hochwertigen Investitionen, bei denen es Sinn macht, mehr Geld auszugeben als notwendig, sondern zum Beispiel von Urlauben, die alles Geld verschlingen oder andere überzogene Investitionen, für die es beispielsweise keinen Grund gibt.

Der Artikel ist zu oberflächlich und allgemein gehalten. Ein Ziel oder eine Richtung zeichnet sich zwar leicht ab, aber der Weg liegt dermaßen im Dunkeln, daß nicht absehbar ist, wohin eine beschriebene Handlungsweise führen könnte.

Nur meine Meinung
(Ich mußte nicht 2Stunden darüber nachdenken, weil ich Diskussionen dieser Richtung schon stundenlang geführt habe.)

:winken:
Klaus

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Werft das Geld raus

15 Aug. 2006 14:38
#57907
Heute morgen bei einer wichtigen Sitzung bei uns Zuhause in einem Gratisblatt der Migros Namens Migros-Magazin (Vormals Brückenbauer) gelesen. Ich war absolut fasziniert von diesem Artikel da er sich in vielen Bereichen mit meiner Einstellung deckt.
Bitte lest den Artikel bis Schluss mal durch und denkt mindestens zwei Stunden darüber nach! Und es hat kein Schweizer geschrieben sondern ein Österreicher welcher in Hamburg und Berlin Lebt / Arbeitet.
Sinn dahinter: Nicht realisierbar - wenn jedoch viele sich mit diesen Zeilen identifizieren könnten...

Werft das Geld raus!

Kauft, Konsumenten, kauft: «Die Wirtschaft lebt von der Verschwendung und sollte so grosszügig sein wie die Natur», sagt «brand eins»-Mitbegründer und Buchautor Wolf Lotter.

Wolf Lotter, Mitbegründer des renommierten Wirtschaftsmagazins «brand eins», hat genug von Knausern und Neidern. In seinem Buch «Verschwendung – Wirtschaft braucht Überfluss» fährt der Provokateur den Sparaposteln an den Karren. «Wohlstand und Fortschritt», so Lotter, «waren schon immer die Folge verschwenderischen Handelns.»

Wolf Lotter, warum ist Geiz nicht geil?
Weil er der Gesellschaft schadet. Wahrscheinlich hat die westliche Welt noch nie so viel gespart wie heute. Gleichzeitig wollen wir den Wohlstand ausbauen. Das ist unmöglich, die Grundlage des Wohlstands ist der Konsum.

Sitzt Ihnen das Geld locker in der Tasche?
Gewiss. Wenn ich etwas kaufe, drehe ich nicht jeden Cent zweimal um. Ich brauche Qualität, um meine Ansprüche zu befriedigen, so wie alle anderen Menschen auch.

Konkret: Wofür geben Sie viel Geld aus?
Klamotten, Urlaub, gutes Essen, guten Wein.

Klingt wenig tiefgründig.
Ich bitte Sie. Nur weil ich gerne lebe? Die wissenschaftliche Verhaltensforschung kann nachweisen, dass wir Menschen die Knauserei verabscheuen. Hätten unsere Vorfahren nur immer das Nötigste gewollt, würden wir heute noch in Höhlen leben.

Wie definieren Sie die Begriffe Sparen und Verschwenden?
Volkswirtschaftlich wird Sparen als «nicht vollzogener Konsum» beschrieben. Die Privatwirtschaft setzt Sparen heute aber mit Wegrationalisieren gleich. Damit gehen Arbeitsplätze und Investitionen verloren. Eine verschwenderische Wirtschaft hingegen zeichnet sich durch den Mut zum Risiko aus.

Die Verschwendung ist mitverantwortlich für unsere Umweltprobleme.
Ein wichtiges Thema – das von Missverständnissen geprägt ist. Verschwenden heisst nicht blind draufloswirtschaften, verschwenden heisst viel investieren in gute Ideen. Zum Beispiel müssen wir mit Geld um uns schmeissen, um unsere Energieprobleme zu lösen. Die Umweltbewegung denkt da völlig falsch. Sie fordert die Reduktion des Konsums. Dieser Ansatz funktioniert nicht.

Weshalb nicht?
Weil er unnatürlich ist. Es gibt nichts Verschwenderisches als die Natur. Die Evolution ist ja kein kontinuierlicher Prozess. Der Meteoriteneinschlag, der vor 65 Millionen Jahren die Dinosaurier ausgelöscht hat, war die Geburtsstunde der Säugetiere. Wahrscheinlich gab es vier solche «Mass Extinctions», die jeweils fast allen Existenzen den Garaus gemacht und gleichzeitig neues Leben ermöglicht haben. Effizient ist das kaum, aber äusserst effektiv.

Michael Braungart, Gründer der Chemie-Division von Greenpeace und erfolgreicher Unternehmer, nennt dies Öko-Effektivität.
Genau. Braungart nennt das Beispiel des Kirschbaums, der jedes Jahr tausende von Blüten produziert und abwirft. So können neue Bäume keimen und Wurzeln schlagen. Niemand findet, der Kirschbaum arbeite effizient. Im Gegenteil, das ist extrem verschwenderisch. Und so funktioniert die ganze Natur.

Ist Recycling nicht besser, als alles einfachwegzuwerfen?

Nein. Damit tun wir der Natur nichts Gutes.

Aber wir können doch nicht
… Recycling heisst nichts anderes, als Abfall in Raten loszuwerden. Papier, PET und Glas werden verwässert, also schlechter gemacht. Statt die Stoffe mit einer Salamitaktik zu entsorgen, sollten wir sie möglichst lange verwenden. Wir sollten von Grund auf Rohstoffe produzieren, die möglichst lange gebraucht werden können, anstatt – wie es beim Recycling passiert – Rohstoffe mit Verschleierungsmassnahmen unschädlich zu machen.

Klingt theoretisch gut – und in der Realität?
Dieses Prinzip funktioniert. Die Sitzbezüge des neuen Airbus A-380 zum Beispiel sind umweltverträglich hergestellt und kompostierbar. Theoretisch könnte man sie sogar essen.

Nehmen wir mal an, Sie haben Recht und Verschwendung schafft Wohlstand. Dieses Prinzip werden Sie wohl kaum auch auf den Staat anwenden wollen.
Ich bin kein Freund des staatlichen Konsums. In Deutschland beträgt die Staatsquote unglaubliche 50 Prozent. Das heisst: Die Hälfte des Geldes, das den Bürgern gehört, schnappt sich der Staat. Eines Tages lebt unsere Gesellschaft nur noch vom Taschengeld. In einer solchen Gesellschaft sinkt natürlich der Wille zur Selbstverantwortung.

Sind Sie ein Neoliberaler?
Wer jemanden einen Neoliberalen schimpft, hat meist ein Interesse, alles beim Alten zubelassen. Aber ich bin tatsächlich ein Neoliberaler. Die ersten Neoliberalen waren Unternehmer im 19. Jahrhundert, die selbstbewusste Arbeitnehmer forderten. Arbeiter, die sich täglich den vielen Möglichkeiten stellen, die das Arbeitsleben bietet. Natürlich haben es die meisten Menschen gern «einfach». Aber wer sein Leben der Einfachheit verschreibt, ist ein Simpel, ein einfältiger Mensch. So kommen wir nicht weiter, Einfalt hat noch nie etwas zum Guten verändert. Welches Niveau wir erreicht haben, hat die Euphorie um die Fussball-Weltmeisterschaft gezeigt.

Wie bitte?
Dank dem guten Abschneiden an der WM auf eine wirtschaftliche Gesundung zu hoffen ist typisch deutsches Denken. Wie kann man nur auf den Gedanken kommen, dass elf Männer in kurzen Hosen das Steuer herumreissen?

Wie sieht die perfekte Gesellschaft aus?
Ich mag den Satz von Perikles: «Das Geheimnis des Glücks ist die Freiheit. Das Geheimnis der Freiheit ist der Mut.» Umgemünzt auf die heutige Zeit bedeutet dies: Wir müssen uns wieder etwas zutrauen. Dies schliesst den Mut zum Scheitern ein. Stattdessen praktizieren wir Besitzstandswahrung. Schon den Kindern wird beigebracht, bloss keine Risiken einzugehen. Und dann wundern wir uns über die Antriebslosigkeit der jungen Generation? Die Politik Deutschlands, ja aller EU-Staaten gründet auf dem Missverständnis, dass Sicherheit wichtiger sei als Freiheit. Unsere Vorväter würden sich im Grabe umdrehen.

Die Idee der EU ist unter anderem auch der friedliche Austausch von Ideen, der friedliche Wettbewerb zwischen den Nationen.
Von diesem ehrenwerten Grundgedanken ist nichts übrig. Die EU ist ein Wasserkopf, in dem 33 000 Bürokraten Vorschriften produ-zieren, anstatt den Kontinent für die Globalisierung fit zu machen.

Die Schweiz ist nicht EU-Mitglied. Das ist wahrscheinlich in Ihrem Sinn.
In der Schweiz ist das Wort Bürger noch ein Wertbegriff, in der EU ein Schimpfwort. In der Schweiz hat man noch Rechte und Pflichten, die Menschen nehmen ihr Schicksal selbst in die Hand. Deutschland hingegen ist schon lange keine Leistungsgesellschaft mehr. Deutschland hat sich immer über den Wohlstand definiert. Das ist auch heute noch so, aber wenn man den Deutschen den Sozialstaat wegnähme, bliebe vom Wohlstand nichts mehr übrig – und ich fürchte vom Staat auch nicht.

Den Staat braucht es also gar nicht mehr?
Natürlich braucht es ihn. Wir brauchen in gewissen Bereichen sogar einen verschwenderischen Staat.

Aber Sie haben doch gerade gesagt, Sie seien gegen zu viel Staat.
Man muss unterscheiden zwischen Verschwendung und Vergeudung. Ein Staat etwa, der den Status quo erhalten will, vergeudet Geld. Mein Lieblingsbeispiel ist Hartz IV, die grösste Sozialreform des Arbeitslosenmarkts. Arbeitslose bekommen weniger Unterstützung, Hartz IV macht Menschen arm und nimmt ihnen das Selbstvertrauen. Die öffentliche Hand wird aber nicht entlastet, im Gegenteil, das Abenteuer Hartz IV verschlingt Milliarden.

Ein Beispiel für eine «positive» Verschwendung von Staatsgeldern?
Es ist gut, wenn der Staat in die Zukunft investiert. In Bildung, Forschung und in begeisternde Projekte. Ich befürworte ausserdem eine einmalige Staatszahlung, die so genannte Bürgererbschaft. Der amerikanische Staatsrechtler Bruce Ackermann schlägt vor, jedem US-Bürger beim Erreichen des 18. Lebensjahres 80 000 Dollar auszubezahlen. Damit hätte jeder Amerikaner, jede Amerikanerin die gleichen wirtschaftlichen Chancen, und alle würden über ein hohes Mass an Handlungsfreiheit verfügen.

...die eine Stange Geld kostet.
Nach Berechnungen von Ackermann nicht mehr als 250 Milliarden Dollar pro Jahr – weniger als für Bildung und sehr viel weniger als für Verteidigung ausgegeben wird. Nicht zu vergessen, dass mit einer Bürgererbschaft die uferlose Bürokratie des Fürsorgestaats abgeschafft würde. Dieser kostet allein Deutschland 730 Milliarden Euro pro Jahr.

Nehmen wir mal an, jeder Deutsche bekäme 80 000 Euro, bar auf die Hand. Woher nehmen Sie die Gewissheit, dass die Bürger diesen Batzen auch sinnvoll einsetzen?
Die Bremer Stadtmusikanten haben sich gesagt: «Etwas Besseres als den Tod werden wir überall finden.» Sie wussten: Bleiben wir hier, werden wir geschlachtet. Also sind sie auf die Reise gegangen. Das ist der entscheidende Punkt: Ich möchte lieber einen Neuanfang, den jeder selber bestimmen kann, als einen Fürsorgestaat.

Welchen Ruf hat die Schweizer Wirtschaft?
Es gibt einen Unterschied zwischen Schweizer und deutschen Unternehmen: Schweizer wissen, dass man nur mit Qualität Geld verdient und nicht mit Discount. Das hat man im restlichen Europa nicht begriffen. Die Deutschen arbeiten und leben nach der Schnäppchenmentalität, ohne aber Abstriche am Wohlstand machen zu wollen. Das ist völlig bescheuert.

Auch in der Schweiz ist nicht alles perfekt. Das Preisniveau etwa . . .
...ist vielleicht höher als bei uns. Dafür kann man die Schweizer Lebensmittel auch geniessen. In Zürich kostet ein Restaurantbesuch zwar mehr als in Berlin, aber was Sie in Zürich auf dem Teller serviert bekommen, ist qualitativ unerreicht. Und im Vergleich zu Schweizer Kaufhäusern nehmen sich deutsche Einkaufsmöglichkeiten wie Dritt-Welt-Läden aus.

Interview Reto Knobel / Bilder Edgar Rodtmann

«Sitzen und Schreiben»
Wolf Lotter, 1962 in Österreich geboren, hat eine Lehre als Buchhändler gemacht und auf dem zweiten Bildungsweg Geschichte und Kulturmanagement studiert. Seit 20 Jahren arbeitet der in Berlin und Hamburg wohnende Lotter als Wirtschaftsjournalist. Er ist Mitbegründer und Redaktor des renommierten Wirtschaftsmagazins «brand eins» (siehe Box Seite 19). Wolf Lotter ist mit der Unternehmensberaterin Heike Arnold liiert. Die Hobbys des erklärten Nicht-sportlers sind – nach eigenen Angaben – Sitzen und Schreiben.

Das Erfolgsgeheimnis von «brand eins»
Das deutsche Wirtschaftsmagazin «brand eins» wurde 1999 von Gabriele Fischer gegründet. Die verkaufte Auflage des Monatsmagazins beträgt laut Autor und Mitgründer Wolf Lotter 85 000 Exemplare. Lotter sieht den Erfolg darin begründet, dass «brand eins» Wirtschaft und Menschen zusammenbringt: «Statt über Manager und ihre Gadgets, die Börse und andere Mythen des alten Kapitalismus zu berichten, schreiben wir, warum und wie Menschen etwas unternehmen, was sie treibt.» Wirtschaft ist laut Lotter nichts Abgehobenes: «Wirtschaft gehört zum Leben. Wir wissen genauso wenig wie andere, wie man reich wird, ohne sich besonders anzustrengen. Aber im Gegensatz zu anderen Wirtschaftspublikationen verzichten wir darauf, unseren Lesern das einzureden. Unsere Leser lassen sich nicht für dumm verkaufen.»

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